Der Trend zur Zuckerreduktion ist deutlich spürbar. Immer mehr Produkte „ohne Zucker“ drängen auf den Markt. Was sich im ersten Moment gut anhört, hat leider auch eine Kehrseite. Nicht alle Zuckeralternativen sind gleich. Viele enthalten trotzdem Kalorien und wirken dem entsprechend auch auf den Blutzucker.

Süßstoff oder Zuckeraustauschstoff?
Es gibt zahlreiche Zuckeralternativen auf dem Markt, und jede hat Vor- und auch Nachteile. Grob unterscheidet man zwischen Süßstoffen und Zuckeraustauschstoffen. Süßstoffe weisen meistens eine sehr hohe Süßkraft auf. Sie kann zwischen dem 30- und dem 3.000-fachen des Zuckers entsprechen. Aus diesem Grund werden Süßstoffe nur in sehr geringen Mengen verwendet. Anwendung finden Süßstoffe in erster Linie in Light-Getränken oder werden in Tabletten und Tropfenform angeboten.
Nicht alle Süßstoffe sind künstlich hergestellt. Lange bekannt und seit einigen Jahren auch in der EU zugelassen, ist das aus der SteviaPflanze gewonnene Steviolglycosid. Ein neuer Pflanzenextrakt, welcher in der EU noch auf Zulassung wartet, ist die Mönchsfrucht (Monk Fruit). Ähnlich wie Stevia, besitzt sie eine extrem hohe Süßkraft, ohne jedoch auf Insulinoder Blutzucker zu wirken.
Der große Nachteil ist, dass viele Süßstoffe nicht hitzestabil sind, weswegen sie sich weniger gut zum Backen oder Kochen eignen. Außerdem wird in vielen Rezepten Zucker auch für das Teig-Volumen benötigt. Hier kommen die sogenannten Zuckeraustauschstoffe ins Spiel. Zuckeraustauschstoffe geben nicht nur Volumen, sie weisen auch häufig ähnliche chemische Eigenschaften wie Zucker auf, helfen dabei, das Gebäck zu bräunen oder karamellartige Geschmacksnoten zu erzeugen.
Erythrit, Maltit, Xylit und Co.
Zuckeraustauschstoffe sind Kohlenhydrate, die einen geringeren Effekt auf den Blutzucker haben als Tafelzucker (Saccharose). Die wichtigste Gruppe sind die Zuckeralkohol, oder Polyole. Zuckeralkohole kommen in kleinen Mengen in vielen Obst- und Gemüsesorten vor, wie etwa Sorbit in Äpfeln und Birnen. Zuckeralkohole haben nichts mit Alkohol zu tun, sondern werden auf Grund ihrer chemischen Struktur so bezeichnet. Industriell hergestellt werden Zuckeralkohole meist aus Stärke, die mit Hilfe von speziellen Hefepilzen oder Bakterien zu Erythrit oder anderen Zuckeralkoholen fermentiert werden. Zuckeralkohole weisen eine weiße, kristalline Struktur auf und erinnern auch optisch an Haushaltszucker.

Die Zuckeralkohole, allen voran Xylit, Birkenzucker, und Erythrit, haben in den letzten Jahren den Sprung in die Küchen und Reformhäuser geschafft, da sie sich ganz besonders gut als gesündere Alternativen zum Haushaltszucker eignen. Trotz ihrer Ähnlichkeit gibt es auch unter den Zuckeralkoholen große Unterschiede, vor allem, was ihre Wirkung auf den Blutzucker und den Kaloriengehalt betrifft.
Der Birkenzucker (Xylit) liefert etwa halb so viel Kalorien wie Zucker und erhöht dem entsprechend auch nur moderat den Blutzuckerspiegel. Xylit kann schnell zu Blähungen und Durchfall führen, wenn man sich in der Menge verschätzt oder sehr empfindlich ist. Vorsicht bei Haustieren! Xylit ist bereits in kleinsten Mengen lebensbedrohlich für Katzen und Hunde.
Erythrit liefert keine Kalorien, wirkt nicht auf den Blutzucker und ist auch am besten verträglich. Empfindliche Personen können jedoch auch bei Erythrit mit Bauchweh und Blähungen reagieren. Da es nur 70% der Süßkraft von Zucker besitzt, wird es oft mit Stevia odereinem anderen Süßstoff kombiniert. Erythrit ist unbedenklich für Haustiere.
Maltit ist der am häufigsten verwendete Zuckeralkohol und findet sich in vielen zuckerreduzierten Lebensmitteln. Es ist mit Abstand der Zuckeralkohol mit den meisten Kalorien. Seine Wirkung auf den Blutzuckspiegel ist nur etwa 30 % geringer als jene von Zucker.
Maltit vs. Zucker
Maltit
· 2-3 Kalorien pro Gramm
· Glykämischer Index 52 als Sirup, 35 als Pulver
· 75% der Süßkraft von Zucker
Zucker
· 4 Kalorien pro Gramm
· Glykämischer Index 60
· 100% Süßkraft
Schadet Erythrit den Gefäßen?
Im März diesen Jahres machte eine Studie1 die Runde, in der die Forscher behaupteten, Erythrit würde die Blutgerinnung fördern und so potenziell das Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall erhöhen. Diese Schlagzeile hat bei Vielen zu Verunsicherung geführt. Doch ist die Sorge berechtigt? Lassen Sie uns gemeinsam einen Blick auf die tatsächlichen Ergebnisse der Studie werfen.
Datensammlung
Es gibt große Patientendatenbanken, auf die man zu Forschungszwecken zugreifen darf. Genau das wurde auch gemacht. In diesem Fall wurde das Blut von Patienten, die bereits an Diabetes, Übergewicht, Bluthochdruck etc. litten untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass im Blut jener Personen besonders viel Erythrit herumschwamm, die innerhalb von drei Jahren nach Blutabnahme einen Herzinfarkt oder Schlaganfall hatten. Heißt das nun, dass Erythrit die Ursache ist? Nein! Keine Sorge, und hier kommt die Erklärung.
Scheinkorrelation
Eine Scheinkorrelation bezeichnet den scheinbaren kausalen Zusammenhang zwischen gemeinsam auftretenden Variablen, der zwar statistisch existent ist, aber nicht auf ein Ursache-Wirkungsprinzip zurückgeführt werden kann. Ein plakatives Beispiel für einen solchen Scheinzusammenhang könnte wie folgt aussehen:
Im Sommer ist es warm und es wird mehr Eis gegessen. Gleichzeitig kommt es im Sommer auch zu mehr Badeunfällen und mehr Menschen ertrinken. Es besteht also eine Korrelation zwischen einem Anstieg des Eiskonsum und einer steigenden Anzahl an Badeunfällen. Ertrinken nun mehr Menschen, weil mehr Eis gegessen wird? Natürlich nicht.
Es ist nicht bekannt, ob die Patienten Erythrit gegessen haben
Die Patienten, deren Daten hier ausgewertet wurden, wurden nicht befragt, ob sie Erythrit zu sich genommen haben. Auf Grund des Altersdurchschnitts der Patienten und des Zeitraumes, aus dem die Daten stammen, ist es sehr unwahrscheinlich, dass diese Personen je Erythrit in ihre Ernährung einbezogen hatten. Denn zu dieser Zeit war Erythrit noch nicht so weit verbreitet, wie das heute der Fall ist.
Wir können Erythrit selbst im Körper herstellen
Die sehr viel wahrscheinlichere Erklärung für das Erythrit im Blut ist, dass es aus der körpereigenen Produktion der Probanden stammt. Es ist schon lange bekannt, dass Menschen mit Übergewicht, Typ 2 Diabetes und ähnlichen Risikofaktoren erhöhte Erythrit-Werte im Blut aufweisen. Dies ist sehr wahrscheinlich in erster Linie durch eine erhöhte Eigensynthese von Erythrit aus Glucose zu erklären.
Man vermutet auch, dass ein Überangebot von Zucker und ein gestörter Zuckerstoffwechsel, sprich Insulinresistenz, zu einer vermehrten Produktion von Erythrit führt. Steigende Erythrit-Mengen im Blut gelten als frühes Anzeichen für die Entstehung des metabolischen Syndroms.2
Das Erythrit im Blut ist also ein Symptom eines bereits gestörten Zuckerstoffwechsels und hat nichts mit der Aufnahme von Erythrit über die Nahrung zu tun.
Erythrit zeigt anti-oxidative Eigenschaften im Tierversuch
Erythrit hat möglicherweise positive Wirkungen, z. B. wirkt es bei Tieren als Antioxidans. In einer Studie, in der 24 Typ-2-Diabetiker untersucht wurden, die 4 Wochen lang 36 Gramm Erythrit pro Tag zu sich nahmen, verbesserte sich die Gefäßfunktion. Erythrit senkte den zentralen Pulsdruck und verringerte tendenziell die Karotis-Femoral-Pulswellengeschwindigkeit. Das heißt, es verbesserte den Blutdruck, was zu einer Senkung des Risikos von Herzkreislauferkrankungen (CVD) beitragen würde.3
Weniger süß tut uns allen gut
Im Lichte der aktuell zur Verfügung stehenden Datenlage besteht kein Grund, Erythrit, oder andere Zuckeralkohole aus dem Leben zu verbannen. Wir dürfen in der Diskussion nicht vergessen, dass auch Zucker massive negative Auswirkungen auf unsere Gesundheit hat. Wenn uns Erythrit oder Xylit dabei helfen, den Zucker zu reduzieren, dann ist auf jeden Fall etwas gewonnen. Trotzdem sollten wir uns alle bewusst sein, dass ein schrittweises Entwöhnen von Süßem ein wichtiger Schritt ist. Weniger süß tut uns allen gut.
Quellen:
1 Witkowski, Marco, et al. “The artificial sweetener erythritol and cardiovascular event risk.” Nature Medicine (2023): 1-9.
2 Rebholz, C. M. et al. Serum metabolomic profile of incident diabetes. Diabetologia 61, 1046–1054 (2018).
3 Flint, N. et al. Effects of erythritol on endothelial function in patients with type 2 diabetes mellitus: a pilot study. Acta Diabetol. 51, 513–516 (2014).
Erschienen in:

Ausgabe Nr. 50 (Mai/Juni 2023)
Hallmarks of Aging
Wie wir das Altern verlangsamen können