Langlebigkeit - Wenn Zellen altern

Die "Hallmarks of Aging" - zu deutsch: Merkmale des Alterns - sind eine Reihe von biologischen Veränderungen und Prozessen, die im Laufe der Zeit auftreten und zum Alterungsprozess von Menschen und Organismen im Allgemeinen beitragen (s.reformleben #50). Diese Konzepte wurden erstmals im Jahr 2013 von Forschern beschrieben, um die zugrunde liegenden Mechanismen des Alterns besser zu verstehen. Die Hallmarks of Aging sollen dabei helfen, die komplexen Prozesse des Alterns zu strukturieren und zu erklären.

Zelluläre Seneszenz ist eines der zentralen Konzepte innerhalb der Hallmarks of Aging. Sie bezieht sich auf den Zustand von Zellen, in dem sie unumkehrbar in einen Zustand des Wachstumsstillstands oder Ruhezustands eintreten, nachdem sie eine gewisse Anzahl von Zellteilungen durchlaufen haben. Es wird angenommen, dass Seneszenz eine Schutzreaktion des Körpers auf verschiedene Stressfaktoren wie DNA-Schäden oder Entzündungen ist, die das Risiko der Entstehung von Krebs und anderen Krankheiten reduzieren. Allerdings haben seneszente Zellen auch nachteilige Auswirkungen auf das umgebende Gewebe und den Organismus insgesamt.

Diese schädlichen Auswirkungen sind eng mit dem Prozess des Alterns und verschiedenen altersbedingten Krankheiten verbunden. Hier sind einige der Hauptgefahren, die von seneszenten Zellen ausgehen:

1. Entzündungen: 

Seneszente Zellen setzen Entzündungsmediatoren, die eine chronische Entzündungsreaktion im umliegenden Gewebe auslösen und die umgebenden gesunden Zellen und Gewebe schädigen. Chronische Entzündun - gen sind mit vielen altersbedingten Krankheiten wie Arteriosklerose, Diabetes, Alzheimer-Krank - heit und Krebs verbunden.

2. Gewebeabbau: 

Seneszente Zellen können das umliegende Gewebe schädigen und den normalen Zellstoffwechsel stören. Das kann zu einem be - schleunigten Abbau von Geweben und Organen führen, was wiederum die Funktionsfähigkeit des Körpers beeinträchtigt.

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3. Störung der Zellumgebung: 

Seneszente Zellen können die Mikroumgebung um sie herum negativ beeinflussen. Sie können benachbarte Zellen und Gewebezellen beeinträchtigen, was zu einem domi - noartigen Effekt führen kann, bei dem immer mehr Zellen in den seneszenten Zustand übergehen. 

4. Einschränkung der Regeneration: 

Seneszente Zellen können die Fähigkeit des Gewebes zur Regeneration und Reparatur behindern. Dies kann die Genesung von Verlet - zungen oder das Funktionieren von Geweben, die sich regelmäßig erneuern müssen (z.B. Haut und Darm), beeinträchtigen.

5. Tumorprogression: 

Obwohl Seneszenz ursprünglich als Schutzmechanismus gegen Tumorbildung gedacht war, kann sie im Laufe der Zeit zu einer Begünstigung von Tumoren führen. Seneszente Zellen können bestimmte Signale aussenden, die das Tumorwachstum und die Ausbreitung unterstützen.

6. Alterungsprozess: 

Seneszente Zellen tragen zum allgemeinen Prozess des Alterns bei, da sie eine Vielzahl von schädlichen Signalen und Mo - lekülen freisetzen, die den normalen zellulären Stoffwechsel beeinträchtigen können.

Angesichts dieser potenziell schädlichen Auswirkungen haben Forscher großes Interesse daran, Wege zu finden, seneszente Zellen zu beseitigen - wenigstens ihre schädlichen Effekte zu minimieren. Das ist das Ziel der Entwicklung von Senolytika, mit denen der negative Einfluss von Seneszenz auf die Gesundheit und Lebensspanne reduziert werden soll.

Senolytika sind Substanzen, die gezielt seneszente Zellen abtöten, um die schädlichen Effekte der Seneszenz zu reduzieren. Durch die Entfernung dieser Zellen könnte die Gesundheit verbessert und das Risiko altersbedingter Krankheiten verringert werden. Verschiedene Substanzen, darunter auch natürliche Verbindungen, werden auf ihre senolytischen Eigenschaften hin untersucht

Taurin ist eine natürlich in unserem Körper vorkommende Aminosäure (Aminosäuren sind die Bausteine, aus denen unser Körper Protein - Eiweiß - herstellt). Als nicht essentielle Aminosäure kann sie von unserem Körper normalerweise selbst hergestellt werden. Wir sind also auf eine Zufuhr von außen nicht angewiesen. Vielleicht kennen Sie Taurin als Zugabe bekannter Energiedrinks. Denn es soll unter anderem eine positive Wirkung auf die geistige und sportliche Leistungsfähigkeit haben. Kürzlich hat eine Studie für öffentliche Aufmerksamkeit gesorgt, die ein Defizit an Taurin allgemein mit vorzeitigem Altern in Verbindung bringt.(1)

Ausgangspunkt war die Erkenntnis, dass die körpereigene Bildung von Taurin (Serum-Spiegel) bei Menschen, Affen und Mäusen mit dem Alter abnimmt. Um herauszufinden, ob diese Abnahme mit vorzeitigem Altern verbunden ist, wurde die Nahrung einer Gruppe von Mäusen mit Taurin ergänzt - einer anderen nicht. Tatsächlich war die mittlere Lebensspanne in der Taurin-Gruppe 10-12% höher als in der Kontroll-Gruppe. Da eine wirkungsvolle Anti-Aging-Therapie nicht nur die Lebens-, sondern auch die Gesundheitsspanne verlängern sollte, untersuchten die Autoren der Studie die Gesundheit von taurin-gefütterten Mäusen und Affen mittleren Alters und fanden besser funktionierendes Knochen-, Muskel-, Bauchspeicheldrüsen-, Gehirn-, Fett-, Darmgewebe als auch eine verbesserte Funktion des Immunsystems. Auf der Suche nach den Mechanismen, die zu diesen Ergebnissen führte fanden die Autoren heraus, dass Taurin offenbar mehrere der „Hallmarks of Aging” (s. reformleben #50) positiv beeinflusst - unter anderem die zelluläre Seneszenz

Taurin ist nicht nur in Energiegetränken enthalten, sondern kommt hauptsächlich in tierischen Lebensmitteln wie Fleisch, Fisch und Milchprodukten vor. Daneben gibt es Taurin mittlerweile auch als Nahrungsergänzungsmittel in veganer Formulierung.

(1) Parminder Singh et al. ,Taurine deficiency as a driver of aging. Science 380, eabn9257 (2023). DOI: 10.1126/science.abn9257