Lektine sind natürliche Proteine, die insbesondere in Hülsenfrüchten und Getreide vorkommen, aber mehr oder weniger in allen pflanzlichen Nahrungsmitteln. Selbst tierische Lebensmittel enthalten Lektine, wenn die „Produzenten“ mit lektinreichen Pflanzen wie Mais und Soja ernährt wurden.

Lektine schützen Pflanzen vor Krankheiten und Schädlingen. Da sie im Einzelfall giftige, in mehreren Varianten potenziell negative Auswirkungen auf das menschliche Immunsystem und die Darmgesundheit haben, sollte ihnen als Antinährstoffe bei der Auswahl und Zubereitung von Speisen Aufmerksamkeit gewidmet werden. Denn zugunsten einer lektinarmen Ernährung auf pflanzliche Lebensmittel zu verzichten, ist wegen anderer Vorteile, die diese mit sich bringen, keine gute Idee. Wie also lässt sich die Aufnahme von Lektinen vermindern? Bei welchen Gesundheitsproblemen ist mehr Vorsicht sinnvoll, d. h. wann können Menschen von der Vermeidung stark lektinhaltiger Nahrungsmittel profitieren?
Was sind Lektine?
Es handelt sich um eine Gruppe von Proteinen oder Glykoproteinen, bestehend aus Aminosäureketten, die sich durch ihre Fähigkeit auszeichnen, sich spezifisch an Kohlenhydrate zu binden. Ihre Aminosäuresequenzen und Strukturen variieren stark zwischen verschiedenen Lektintypen, was zu einer großen Vielfalt an Bindungseigenschaften und möglichen biologischen Aktivitäten führt.
Diskussionen gibt es um die Zuordnung von Gluten. Gluten ist ein Protein, das hauptsächlich in Weizen, Gerste, Roggen und teilweise Hafer vorkommt, auch Klebereiweiß genannt wird und zu den guten Backeigenschaften der genannten Getreidesorten beiträgt. Gluten ist für Menschen mit Zöliakie oder Glutenunverträglichkeit problematisch. Lektine sind eine größere Gruppe von Proteinen, die in vielen verschiedenen Pflanzen vorkommen. Es gibt auf jeden Fall gemeinsame Effekte, da sowohl Gluten als auch einige Lektine die Darmdurchlässigkeit erhöhen können, indem sie die „tight junctions“ (Verbindungen zwischen den Darmzellen) beeinflussen. Mehr Substanzen gelangen in den Blutkreislauf, was zu Problemen wie Entzündungen führt. Die Meinungen in der Wissenschaft gehen so weit auseinander, dass Gluten teils nicht den Lektinen zugeordnet wird, teils als das bekannteste Lektin bezeichnet wird.
Solanin, das in Nachtschattengewächsen wie Kartoffeln und Tomaten vorkommt, wird mitunter auch genannt, ist chemisch gesehen aber ein Glykoalkaloid.
Wo sind Lektine enthalten?
Hülsenfrüchte sind für ihren hohen Lektingehalt bekannt. Beim Getreide sticht der Weizen hervor – Wheat Germ Agglutinin. Aber auch die glutenfreien Sorten Mais und Reis enthalten Lektine, nur andere, wobei Mais in Bezug auf seinen Lektingehalt ebenfalls problematisch sein kann. Bei den Nüssen und Samen sind es die Cashewnüsse, Sonnenblumen- und Kürbiskerne sowie Sesam die in dieser Hinsicht zuerst genannt werden. Gewisse Lektine finden sich außerdem in beachtenswerten Mengen in Nachtschattengewächsen wie Kartoffeln, Tomaten und Auberginen. In geringen Mengen kommen sie überall in der Pflanzenwelt vor. Der Gehalt hängt auch von der spezifischen Pflanzensorte, dem Reifegrad und der Zubereitungsweise ab.
Wirkung auf den Menschen
Die typischen Eigenschaften der Lektine umfassen:
- Kohlenhydratbindung – können mit Zellmembranen interagieren, indem sie an bestimmte Zuckerstrukturen auf der Zelloberfläche andocken
- Agglutination – einige Lektine können Verklumpung von Zellen, zum Beispiel roten Blutkörperchen, verursachen
- Resistenz gegen Verdauungsenzyme – viele der Substanzen gelangen bis in den Darm
- Biologische Aktivität – eine Reihe von ihnen kann das Immunsystem beeinflussen und Entzündungsreaktionen auslösen
- Anti-Nährstoff-Verwertung von Nährstoffen wird durch eine Schädigung von Zellfortsätzen in der Darmschleimhaut beeinträchtigt
- Toxische Reaktion – Beispiele sind Phasin und Phytohämagglutinin in rohen Bohnen, allen voran Kidneybohnen, weshalb Bohnen nur gekocht verzehrt werden sollten! Extrem giftig ist das Lektin Ricin im Samen des Wunderbaums.
Reduzierung der Lektinmenge
Zubereitungsmethoden wie Einweichen, Keimen und gründliches Kochen können den Lektingehalt in Lebensmitteln reduzieren. Das BfR (Bundesinstitut für Risikobewertung) rät, frische Bohnen 30 Minuten in kochendem Wasser zu garen. Kichererbsen, Kidneybohnen und normale Linsen sollten über Nacht, aber mindestens fünf Stunden eingeweicht werden. Anschließend Einweichwasser wegschütten und die Hülsenfrüchte in frischem Wasser bei hoher Temperatur gar kochen. Ausnahmen sind die geschälten roten und gelben Linsen sowie Zuckerschoten und Erbsen, die nur wenig Lektine enthalten. Bei anderen Lebensmitteln wie rohen Getreidekörnern empfiehlt sich Keimen können Lektine abbauen. Dies trifft übrigens nicht auf das Gluten zu, wodurch es sich dann doch unterscheidet. Gluten kann nicht durch irgendwelche Zubereitungsmethoden entfernt werden ebenfalls das Einweichen über Nacht. Fermentationsprozesse sowie Keimen können Lektine abbauen. Dies trifft übrigens nicht auf das Gluten zu, wodurch es sich dann doch unterscheidet. Gluten kann nicht durch irgendwelche Zubereitungsmethoden entfernt werden!
Haben Lektine auch Vorteile?
Lektine spielen eine Rolle in der Pflanzenentwicklung und dienen Pflanzen als natürlicher Schutz gegen Insekten und Pilzbefall. Sie können Schädlinge davon abhalten, sich von den Pflanzen zu ernähren oder sie zu infizieren. Für den Menschen sind Lektine mehr Feind als Freund. Die Pflanzen wachsen für sich selbst, nicht um uns bestmöglich zu versorgen. Unfreundlich ausgedrückt sind wir Menschen für Pflanzen „Feinde“, die sie essen möchten. Mögliche positive Effekte von Lektinen sind eine stimulierende Wirkung auf das Immunsystem, die Hemmung der Aufnahme bestimmter Nährstoffe, die anderweitig ungünstig sind und präbiotische Effekte, die das Wachstum von nützlichen Darmbakterien fördern. Das trifft aber sicherlich nur auf manche Lektine zu und muss noch genauer erforscht werden. Lektinhaltige Nahrungsmittel werden nicht wegen der Lektine gegessen, sondern trotz ihres Lektingehalts – wegen anderer positiver Inhaltsstoffe.

Bei diesen Erkrankungen Lektine meiden?
Studien deuten darauf hin, dass zumindest einige Lektine die Durchlässigkeit der Darmbarriere erhöhen. Lektine können somit zur Entwicklung von chronischen Entzündungen beitragen, indem sie als „Gefahrensignal“ das Immunsystem aktivieren und mit dem Immunsystem interagieren. Damit ist es wahrscheinlich, dass sich die Erkrankungssymptome sowohl bei den Darmerkrankungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa verschlimmern können als auch beim Reizdarmsyndrom, dass Lektine als eine Ursache neben anderen für das Leaky-Gut-Syndrom in Frage kommen. Darüber hinaus wird wegen der Förderung von Entzündungen ein Zusammenhang mit Arthritis und allen Autoimmunerkrankungen vermutet. Menschen mit bestimmten Gesundheitsproblemen können von der Vermeidung stark lektinhaltiger Lebensmittel profitieren. Das heißt vor allem Zurückhaltung bei Hülsenfrüchten und einigen Getreiden. Lektinarm sind vor allem Hirse und das Pseudogetreide Quinoa. Zum Getreide noch ein interessanter Aspekt: Obwohl Lektine nicht direkt mit Gluten gleichzusetzen sind, berichtet der Arzt Dr. med. Christian Gersch aus Kaiserslautern, dass rund 70 Prozent der Menschen mit Zöliakie, die sich glutenfrei ernähren, weiterhin erhöhte Entzündungsparameter haben, wenn sie sich maisbasiert ernähren. Mais ist zwar glutenfrei, hat aber ein starkes Lektin namens Zea m 8.
Fazit
Lektine sind Proteine, die in einer Vielzahl von Lebensmitteln vorkommen. Die richtige Zubereitung und Verarbeitung von lektinhaltigen Lebensmitteln kann das Lektinniveau signifikant senken, wodurch diese Nahrungsmittel sicher und nahrhaft für den Verzehr werden. Da aber die Möglichkeit besteht, dass Lektine bei bestimmten Erkrankungen zu Entzündungsprozessen und Symptomverschlimmerungen beitragen, kann es im Rahmen einer individualisierten Ernährungstherapie sinnvoll sein, lektinreiche durch lektinarme Alternativen zu ersetzen. Eine lektinfreie Ernährung ist unmöglich und eine abwechslungsreiche Ernährung die Basis, sich mit genügend Vitaminen, Mineralien, Ballaststoffen und positiven sekundären Pflanzenstoffen zu versorgen.

