Basisprogramm Immunsystem aktivieren - Teil 1

01.11.23 12:00 AM Von Sigrid Oldendorf

HORMESIS

Das Geheimnis hinter dem Prinzip
"Was uns nicht umbringt, macht uns stärker" 

Hormesis ist ein faszinierendes und weitreichendes Konzept in der Wissenschaft rund um den menschlichen Stoffwechsel. Es verkörpert die Idee, dass geringe Dosen von schädlichen Substanzen oder Stressoren positive Auswirkungen auf unseren Körper haben können. Dieses Prinzip, das oft mit dem berühmten Satz "Was uns nicht umbringt, macht uns stärker" in Verbindung gebracht wird, hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen.

Die Geschichte der Hormesis: Ursprünge und Entwicklung

Der Begriff "Hormesis" stammt aus dem Griechischen und bedeutet "Anregung" oder "Antreiber". Die Idee, dass geringe Dosen von schädlichen Einflüssen zu einer positiven Reaktion des Organismus führen können, ist keineswegs neu. Schon in der Antike erkannten einige griechische Philosophen und Ärzte, wie Paracelsus, dass die Wirkung von Substanzen auf den Körper von ihrer Dosis abhängig ist. Es war der deutsche Toxikologe Hugo Schulz, der Anfang des 20. Jahrhunderts den Begriff "Hormesis" geprägt und systematisch erforscht hat. Schulz führte Experimente mit Hefezellen durch und stellte fest, dass niedrige Dosen von giftigen Substanzen wie Arsen zu einem beschleunigten Wachstum der Hefezellen führten, während höhere Dosen sie töteten. Diese Beobachtung war ein frühes Beispiel für das Phänomen der Hormesis.

Die Erforschung der Hormesis setzte sich im Laufe des 20. Jahrhunderts fort und umfasste verschiedene Bereiche wie der Medizin und Toxikologie. In den letzten Jahrzehnten hat die wissenschaftliche Gemeinschaft zunehmend erkannt, dass Hormesis ein breites Anwendungsfeld hat und in vielen Aspekten unserer Gesundheit eine gesundheitsfördernde Rolle spielt.

Die Mechanismen der Hormesis: Wie funktioniert sie?

Um Hormesis besser zu verstehen, ist es wichtig, die Mechanismen dahinter zu betrachten. Grundsätzlich basiert Hormesis auf der Idee, dass geringe Mengen eines schädlichen Reizes den Körper dazu anregen, sich anzupassen und eine schützende Reaktion auszulösen. Das geschieht auf zellulärer Ebene und kann sich auf verschiedene Weisen manifestieren.

Ein Schlüsselmechanismus der Hormesis ist die Aktivierung von adaptiven Stressantworten in den Zellen. Wenn der Organismus mit einem milden Stressor konfrontiert wird, aktiviert er verschiedene Abwehrmechanismen, um sich vor diesem Stressor zu schützen. Dies kann die Produktion von antioxidativen Enzymen, Reparaturmechanismen für DNA-Schäden und die Stärkung des Immunsystems umfassen.

Diese adaptiven Reaktionen sind in der Regel nicht nur darauf ausgerichtet, den Körper vor dem akuten Stressor zu schützen, sondern führen auch zu einer verbesserten Widerstandsfähigkeit gegenüber zukünftigen Stressoren. Dieser Effekt wird oft als "Präkonditionierung" oder "hormetische Vorbeugung" bezeichnet.

Ein weiterer wichtiger Mechanismus der Hormesis betrifft die Hormonregulation. Hormesis kann die Freisetzung von Hormonen beeinflussen, die wiederum verschiedene physiologische Prozesse im Körper steuern. Dies führt zu einer besseren Regulation des Hormonsystems, was sich positiv auf die Gesundheit auswirkt.

Die verschiedenen Arten der Hormesis und ihre Anwendungen

Hormesis kann auf verschiedene Arten auftreten und hat zahlreiche Anwendungen in verschiedenen Bereichen, einschließlich Gesundheit, Medizin, Umweltschutz und sogar im Bereich der persönlichen Entwicklung. Hier sind einige der wichtigen Arten der Hormesis und wie sie sich in verschiedenen Bereichen manifestieren:

Chemische Hormesis: 

Dies ist die am häufigsten untersuchte Form der Hormesis und bezieht sich auf die Exposition des Körpers gegenüber geringen Mengen chemischer Stressoren. Beispiele hierfür sind niedrige Dosen von Alkohol und Koffein. In geringen Mengen können diese Substanzen vorteilhafte Wirkungen auf den Körper haben, wie die Verbesserung der kognitiven Funktion oder die Stärkung des Immunsystems.

Ernährungs-Hormesis: 

Dieser Bereich konzentriert sich auf die Rolle von Nahrungsmitteln und Nährstoffen als Hormetika. Antioxidantien wie Resveratrol in Rotwein, Ginseng in der asiatischen Heilkunde oder Kurkuma in der indischen Küche sind Beispiele für Substanzen, von denen angenommen wird, dass sie unter anderem hormetische Effekte haben. In geringen Mengen haben sie auch antioxidative, entzündungshemmende und sogar antivirale Wirkung (s. unseren Beitrag zu Ginseng in dieser Ausgabe).

Training und Bewegung: 

Die Prinzipien der Hormesis finden sich auch bei körperlicher Aktivität wieder. Das Konzept des progressiven Trainings beruht auf der Idee, dass der Körper stärker wird, wenn z.B. Muskeln kontrollierten Stress erfahren. Regelmäßiges Training fördert die körperliche Fitness und die Gesundheit, indem es hormetische Effekte, wie z.B. Muskelwachstum oder eine Erhöhung bzw. Verstärkung der Knochendichte anregt, wenn entsprechende Stressoren einwirken.

Psychische Resilienz: 

Auf psychologischer Ebene kann Herausforderung und Stress in moderaten Dosen zur Entwicklung von Resilienz führen. Menschen, die gelernt haben, mit Herausforderungen umzugehen, können besser mit Stresssituationen umgehen und sich schneller erholen.

Fazit

Hormesis ist ein faszinierendes Konzept, das veranschaulicht, wie der Körper auf Stressoren reagiert, sich anpasst und sich für zukünftige Herausforderung wappnet. Obwohl es noch viel zu erforschen gibt, bietet Hormesis ein vielversprechendes Potenzial in den Bereichen Gesundheit, Medizin, Umweltschutz und der persönliche Entwicklung. Die sorgfältige Untersuchung und ethische Anwendung dieses Prinzips könnten die Art und Weise, wie wir Gesundheit und Wohlbefinden verstehen und fördern, in Zukunft grundlegend verändern. Wir müssen den Glauben, den eigenen Körper vor Belastung zu bewahren, um ihn etwa vor „Abnutzung“ zu schonen, wohl auf den Prüfstein stellen. Es stellt sich heraus, dass moderater, kontrollierter Stress in unserem Körper Anpassungsreaktionen auslöst, die Grundvoraussetzung für ein gesundes, langes Leben sind.

In den folgenden Ausgaben werden wir immer wieder auf Naturstoffe eingehen, bei deren gesundheitlichen Wirkungen u.a. das Konzept der Hormesis eine Rolle spielt (s. auch unser Basisprogramm). 

Quellen:

1. Calabrese, E. J. (2008). Hormesis: Why it is important to toxicology and toxicologists. Environmental Toxicology and Chemistry, 27(7), 1451-1474. 

2. Mattson, M. P. (2008). Hormesis defined. Ageing Research Reviews, 7(1), 1-7. 

3. Rattan, S. I. (2008). Hormesis in aging. Ageing Research Reviews, 7(1), 63-78. 

4. Radak, Z., & Chung, H. Y. (2008). Gaining insight into the role of hormesis in the healthy aging process. Rejuvenation Research, 11(2), 423-424. 

5. Le Bourg, E. (2009). Hormesis, aging and longevity. Biochimica et Biophysica Acta (BBA)-General Subjects, 1790(10), 1030-1039. 

6. Cory H. Teuscher et al. (2010). Hormesis: from marginalization to mainstream: a case for hormesis as the default dose-response model in risk assessment. Toxicology and Applied Pharmacology, 254(1), 1-12. 7. Gems, D., & Partridge, L. (2008). Stress-response hormesis and aging: “that which does not kill us makes us stronger”. Cell Metabolism, 7(3), 200-203

Erschienen in:

Reformleben Magazin

Ausgabe Nr. 53 (Nov./Dez. 2023)

Ewiges Leben

Wissenschaft und Technik arbeiten am Sieg des Menschen über den Tod. Dr. Klaus Mohr findet das ethisch und sozial fraglich und plädiert stattdessen für eine natürliche Gesunderhaltung.

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