Zucker ist bekanntlich nicht gerade günstig für die Figur und leistet einen nicht unerheblichen Beitrag zur Entstehung von Insulinresistenz und Diabetes. Doch wussten Sie, dass Zucker uns auch schneller altern lässt? Der Prozess dahinter wird als Verzuckerung oder Glykation bezeichnet.

Was ist Verzuckerung?
Stellen Sie sich vor, sie nehmen ein frischgebackenes Brot aus dem Ofen. Die krosse Kruste, die braune Farbe, der unverkennbare Duft – was Sie hier sehen, ist das Ergebnis der sogenannten Maillard-Reaktion. Die Maillard-Reaktion ist eine chemische Reaktion, die zwischen Aminosäuren und reduzierenden Zuckern stattfindet. Sie tritt normalerweise beim Erhitzen von Lebensmitteln auf, wie beim Braten, Grillen oder Backen. Während der Maillard-Reaktion verbinden sich die Aminosäuren aus Proteinen mit den reduzierenden Zuckern und bilden Verbindungen, die als Maillard-Produkte bezeichnet werden. Diese verleihen Lebensmitteln eine braune Farbe und ihren einzigartigen Geschmack und ihr einzigartiges Aroma. Nur wenige Menschen wissen, dass eine sehr ähnliche Reaktion auch in unserem Körper abläuft. Wenn wir zum Beispiel Kohlenhydrate zu uns nehmen, werden diese im Körper u.a. zu Zucker abgebaut und zu Energie verstoffwechselt. Wenn jedoch zu viel Zucker im Körper vorhanden ist oder die Fähigkeit des Körpers, Zucker effektiv zu verarbeiten, beeinträchtigt ist, kann der überschüssige Zucker mit Proteinen und Fetten im Körper reagieren. Verbindet sich der Zucker mit Eiweißen in unserem Körper, dann entstehen Verzuckerungsendprodukte (s.o. zur Maillard-Reaktion). Diese werden in der Wissenschaft als Advanced Glycation Endproducts kurz AGEs bezeichnet (auf deutsch etwa: Endprodukte fortgeschrittener Glykation). AGEs sind schädliche Substanzen, die in unserem Körper entstehen, wenn bestimmte Zuckerarten (insbesondere Glukose) sich mit Proteinen oder Fetten verbinden. Dieser Prozess wird als „Verzuckerung“ bezeichnet und kann in vielen Geweben und Organen des Körpers auftreten. In hoher Konzentration können AGEs zu Entzündungen, oxidativem Stress und Schäden an Zellen und Geweben führen, was wiederum das Risiko für verschiedene chronische Krankheiten erhöht, darunter Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Alzheimer und Krebs.
Verzuckerung beschleunigt die Alterung
Ein gewisses Maß an Verzuckerung und AGEBildung ist normal und unbedenklich. Übersteigt die Verzuckerung allerdings die natürlichen Kapazitätsgrenzen unseres Körpers, dann kann die Glykierung auf Dauer die Gewebe aller Organe schädigen. Es entstehen viele AGEs, die wiederum als Signalgeber Entzündungsprozesse aktivieren oder die Durchlässigkeit der Gefäßwände erhöhen können. Ganz besonders gut lässt sich Verzuckerung an der Haut feststellen. Altersflecken und der Verlust der Hautelastizität sind die offensichtlichsten Zeichen von Glykierung. Zuckermoleküle heften sich, im Falle der Haut, an die Kollagenfasern und lösen auf diese Weise eine Art von Karamellisierung und somit eine Verhärtung aus. Der Blick auf die Haut ist für uns die offensichtlichste Möglichkeit Glykierung zu beobachten. Natürlich finden die gleichen Prozesse in allen Geweben und Organen statt.
„Menschen mit Diabetes altern schneller. Im Schnitt liegt ihr biologisches Alter um 12 Jahre über dem von Personen ohne Diabetes.“
Das chronologische Alter wird durch den Zeitpunkt der Geburt bestimmt, es bezieht sich auf die Anzahl der Jahre seit der Geburt einer Person. Das chronologische Alter ist somit leicht zu bestimmen und ist für jede Person eindeutig. Das biologische Alter hingegen beschreibt den körperlichen Zustand einer Person und wie gut dieser mit dem tatsächlichen Alter übereinstimmt. Es geht also darum, wie schnell der Körper tatsächlich altert, unabhängig davon, wie alt eine Person ist. Es gibt eine Vielzahl von Faktoren, die das biologische Alter beeinflussen können, darunter genetische Veranlagung, Umweltfaktoren, Lebensstil und Ernährung. Zum Beispiel können chronischer Stress, Rauchen, Alkoholkonsum, eine ungesunde Ernährung und mangelnde Bewegung das biologische Alter erhöhen und den Körper schneller altern lassen.
Es gibt verschiedene Marker, anhand derer das biologische Alter bestimmt werden kann. Dazu gehören beispielsweise DNA-Veränderungen, Körperzusammensetzung und Blutparameter. Auch wenn es mehrere Faktoren gibt, die den Alterungsprozess beschleunigen, so sind dauerhaft erhöhte Blutzuckerwerte besonders schädlich. So fanden Forscher heraus, dass der Langzeitblutzucker (HbA1c) am deutlichsten mit einem erhöhten biologischen Alter korreliert.1 Das biologische Alter von Menschen mit Typ2-Diabetes lag im Schnitt 12 Jahre über dem ihrer nicht-diabetischen Altersgenossen. Bei Typ-1-Diabetikern lag das biologische Alter sogar 16 Jahre über dem der Altersgenossen. Dies lässt sich unter anderem dadurch erklären, dass Typ-1-Diabetes meist schon in der Kindheit oder Jugend einsetzt und somit die Belastung durch einen latent hohen Blutzucker bereits wesentlich länger besteht als bei Typ2-Diabetikern.
Exogene vs. Endogene AGEs
Wie bereits am Anfang des Artikels beschrieben, entstehen AGEs auch während dem Kochen, Braten oder Backen. Ob und inwieweit über die Nahrung aufgenommene AGEs einen Effekt auf Entzündung oder Insulinresistenz haben, ist bislang unklar. Fakt ist jedoch, dass ein Überangebot an Zucker eine substanzielle Rolle bei der Entstehung von AGEs darstellt, mit bekannten negativen Auswirkungen.2
Von allen Einfachzuckern fällt die Fructose besonders unrühmlich auf. Fructose hat ein höheres Potenzial für die Bildung von AGEs im Vergleich zu Glukose oder anderen Zuckerarten.3 Eine hohe Zufuhr von Fructose wird auch mit einem erhöhten Risiko für chronische Erkrankungen wie Diabetes, Herz-KreislaufErkrankungen und Nierenerkrankungen in Verbindung gebracht.4 Somit ist es wichtig, den Konsum von fruktosehaltigen Lebensmitteln zu moderieren. Hier geht es in erster Linie um industriell verarbeiteten Lebensmittel, Süßigkeiten, Fruchtsäfte und Smoothies. In verarbeitete Lebensmittel wird häufig Glukose-Fruktose Sirup verwendet. Dieser wird üblicherweise aus Mais hergestellt und weist einen höheren Fruktosegehalt auf als Sirup aus Zuckerrüben.
Anti-Aging heißt Zucker reduzieren
Alterung ist ein natürlicher Prozess, der einfach zum Leben dazu gehört. Doch haben wir es selbst in der Hand, wie schnell dieser Prozess voranschreitet. Das Schöne ist, es bedarf keiner teuren Creme, keiner exotischen Ergänzungsmittel – einfach weniger Zucker essen und die biologische Uhr verlangsamen, anhalten oder sogar zurückdrehen.
Quellen:
1 Prasad C, Davis KE, Imrhan V, Juma S, Vijayagopal P. “Advanced Glycation End Products and Risks for Chrnic Diseases: Intervening Through Lifestyle Modification.” Am J Lifestyle Med. 2017 May 15;13(4):384-404. doi: 10.1177/1559827617708991
2 Bahour, Nadine, et al. "Diabetes mellitus correlates with increased biological age as indicated by clinical biomarkers." Geroscience (2022): 1-13.
3 Kellow, Nicole J., and Gayle Shirley Savige. "Dietary advanced glycation end-product restriction for the attenuation of insulin resistance, oxidative stress and endothelial dysfunction: a systematic review." European journal of clinical nutrition 67.3 (2013): 239-248.
4 Gugliucci, Alejandro. "Formation of fructose-mediated advanced glycation end products and their roles in metabolic and inflammatory diseases." Advances in nutrition 8.1 (2017): 54-62.
Erschienen in:

Ausgabe Nr. 51 (Juli/Aug. 2023)
Biologisches Alter messbar?
Ein Blick auf Horvarths Uhr