Sekundäre Pflanzenstoffe sind wichtig für die Darmflora

01.07.24 12:00 AM Von Redaktion

Interview mit dem Facharzt und Ernährungsmediziner Dipl.-Ing. Dr. med. Georg Wolz zur Bedeutung Sekundärer Pflanzenstoffe für den Darm und den Kriterien für qualitativ hochwertige und wirksame Probiotika.

Wer seine Darmflora (wieder) aufbauen will, z.B. nach einer Antibiotikaeinnahme, greift meist zu Probiotika, also zu Präparaten mit Milchsäurebakterien oder Hefen. Ist das sinnvoll?

Auf jeden Fall. Viele Studien zeigen, dass sich das Mikrobiom viel schneller von einer Antibiotikaeinnahme erholt, wenn man anschließend Probiotika nimmt. Zudem haben Milchsäurebakterien und probiotische Hefen sehr viele positive Effekte auf die menschliche Gesundheit, von der Darmgesundheit über das darmbasierte Immunsystem bis hin zur psychischen Gesundheit – Stichwort ‚Darm-Hirn-Achse‘.

Mindestens genauso wichtig sind aber präbiotische Ballaststoffe wie zum Beispiel Inulin, Akazienfaser, Hafer-Beta-Glucane oder Galactooligosaccharide. Diese werden vom Mikrobiom zu kurzkettigen Fettsäuren fermentiert, die wiederum von der Darmschleimhaut für die Energiegewinnung genutzt werden. Dadurch kann sie sich gut regenerieren, und die Darmbarriere bleibt intakt. Was viele nicht wissen: Auch Sekundäre Pflanzenstoffe aus Obst und Gemüse wirken präbiotisch.

Was genau sind Sekundäre Pflanzenstoffe und welche Rolle spielen sie für unsere Gesundheit?

Sekundäre Pflanzenstoffe findet man nur in Obst, Gemüse oder Kräutern. Sie werden von den Pflanzen im Sekundärstoffwechsel gebildet und geben ihnen Farbe, Geschmack oder Duft. Sie helfen ihnen also, sich vor der Sonne oder vor Fraßfeinden zu schützen oder Insekten anzulocken. Heute weiß man, dass diese Sekundären Pflanzenstoffe sich auch für die menschliche Gesundheit sehr positiv auswirken. Sie wirken antioxidativ und antientzündlich und haben viele positive Effekte auf die Herz-Kreislaufgesundheit.

Und wie wirken diese Pflanzenstoffe konkret im Darm?

Sekundären Pflanzenstoffe und ihre Abbauprodukte (Metabolite) wirken wie eingangs gesagt präbiotisch, d.h. sie dienen den ,guten Darmbakterien‘ als Nahrung und beeinflussen so die Zusammensetzung der Mikrobiota in positiver Hinsicht und stärken die Darmbarriere. Zudem wirken sie gezielt auf die bakterielle Zellmembran von pathogenen Keimen und hemmen auf diese Weise deren Ausbreitung. Sekundäre Pflanzenstoffe wirken im Darm auch antioxidativ und antientzündlich und modulieren so das darmbasierte Immunsystem. Durch ihre positiven Effekte auf die Darmmikrobiota nehmen Sekundäre Pflanzenstoffe auch positiven Einfluss auf die Darm-Hirn-Achse. 

Gibt es bestimmte Sekundäre Pflanzenstoffe, die besonders gut im Darm wirken?

Ja, insbesondere Flavonoide aus Zitrusfrüchten wie Naringin und Hesperidin haben sich als besonders effektiv in Bezug auf die Darmgesundheit erwiesen. Studien haben gezeigt, dass nach der Einnahme spezieller Komplexe aus diesen Zitrusflavonoiden die Menge der wichtigen kurzkettigen Fettsäuren im Darm anstieg wie Butyrat, welches das Immunsystems und die Darmbarriere stimuliert und Propionat, das positive Auswirkungen auf die Stoffwechselkontrolle hat. Auch wurde eine geringere Zahl an Leukozyten und niedrigere Calprotectin-Werte gemessen, was auf eine entzündungshemmende Wirkung und eine geringere Pathogenbelastung im Darm hindeutet.

Wenn man das hört, ist klar: Man sollte mehr Obst und Gemüse essen, oder?

Auf jeden Fall. Allerdings schaffen viele die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. mindestens empfohlenen 5 Portionen pro Tag nicht. Das kann viele Gründe haben. Von Zeitnot, Bequemlichkeit über Unverträglichkeiten bis hin zu Mangel an Appetit wie bei vielen älteren Menschen. In solchen Fällen bieten sich naturnahe Mikronährstoffkonzentrate aus dem Reformhaus an. Aber Achtung: Bei diesen sollte die genaue Menge der enthaltenen Sekundären Pflanzenstoffe auf der Verpackung aufgelistet sein. Übrigens gibt es jetzt auch Probiotika, also Präparate für die Darmflora, in denen Milchsäurebakterien mit Sekundären Pflanzenstoffen, konkret Zitrusflavonoiden, kombiniert werden. 

À propos Probiotika – worauf sollte man hier beim Kauf achten?

Bei Breitbandprobiotika ist es grundsätzlich besser, möglichst hoch dosierte Präparate zu wählen, damit auch ausreichend Bakterien im Darm ankommen, also zwischen 24 und 160 Milliarden pro Tagesdosis. Wichtig ist, dass nicht die gesamte Dosis in einer Kapsel ist, sondern auf mehrere Kapseln aufgeteilt, damit die Milchsäurebakterien individuell dosierbar sind. Um eine ideale Versorgung zu gewährleisten, sollte die Tagesdosis über den Tag verteilt eingenommen werden, zum Beispiel zwei Kapseln morgens und zwei abends.

Welche Stämme sollten enthalten sein?

Ein Präparat zu verwenden, das verschiedene Stämme beinhaltet, die auch synergistisch wirken, ist keine schlechte Wahl. Denn während Lactobazillen eher im Dünndarm wirken, sind Bifidusbakterien hauptsächlich im Dickdarm aktiv. Dabei sollten Breitbandprobiotika mit Milchsäurebakterien mindestens acht Stämme enthalten. Um eine ideale Versorgung aller Darmabschnitte zu gewährleisten, sind sogar Präparate mit bis zu 22 verschiedenen Milchsäurebakterienkulturen pro Kapsel ratsam. Wichtig ist auch, dass alle enthaltenen Stämme in einem ausgewogenen Verhältnis vorliegen, also nicht ein Stamm über 50 Prozent ausmacht.

Aber werden die eingenommenen Milchsäurebakterien nicht entweder gleich durchgespült oder von der Magensäure abgetötet?

Qualitativ hochwertige Probiotika verfügen über Bakterienstämme mit hoher Anhaftungsfähigkeit. Damit ist gemeint, wie gut sich die Bakterien in der Darmschleimhaut ansiedeln können. Je stärker die Anhaftungsfähigkeit der Keime ist, desto länger können sie im Darm bestehen und so zum Gleichgewicht der Darmflora beitragen. Zum Thema Magen- und Gallensäure: Hochwertige Darmflora-Präparate enthalten Stämme, die von sich aus bereits sehr stabil gegenüber Säure sind, und verwenden eine Kapselhülle, die sich erst im Darm öffnet und dadurch die Bakterien zusätzlich schützt.

Von welchen Zusatzstoffen in den Präparaten würden Sie abraten?

Von Präparaten, die Histamin bildende Bakterien enthalten, sollte man Abstand nehmen. Denn diese können zu Nebenwirkungen führen. Auch auf die Beigabe von Titandioxid sollte verzichtet werden, da dieser Stoff einen negativen Einfluss auf die Gesundheit nehmen kann. Mein Rat: Achten Sie genau auf die Zusammensetzung beim Kauf von probiotischen Präparaten und lassen Sie sich gegebenenfalls beraten, wenn die Inhaltstoffe auf der Verpackung nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind.

Erschienen in:

Reformleben Magazin

Ausgabe Nr. 57 (Juli/Aug. 2024)

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