Inflammaging - wenn Entzündungen leise alt machen

01.09.25 12:00 AM Von Dr. Mathias Oldhaver

Mit zunehmendem Alter verändert sich vieles – auch im Inneren unseres Körpers. Ein Phänomen, das dabei zunehmend in den Fokus der Wissenschaft rückt, ist das sogenannte „Infl ammaging“ – einer Wortneubildung aus Infl ammation (Entzündung) und Aging (Alterung). Gemeint ist damit ein Zustand stiller, chronischer Entzündungen, die im Körper schwelen, ohne dass wir sie unmittelbar spüren. Kein Fieber, keine Rötung, keine typischen Entzündungssymptome – und doch läuft das Immunsystem auf Sparfl amme im Dauerstress. Die Folge: Unsere Abwehrkräft e lassen nach, Alterserkrankungen werden begünstigt, und wir altern schneller, als es eigentlich nötig wäre.

Doch wie kommt es zum Infl ammaging?

Unser Immunsystem ist ein komplexes Schutzsystem, das den Körper rund um die Uhr vor Viren, Bakterien und anderen Bedrohungen schützt. In jungen Jahren funktioniert diese Verteidigung meist zuverlässig. Doch mit den Jahren wird sie träger und ungenauer. Das liegt unter anderem daran, dass der Körper weniger frische Immunzellen produziert und stattdessen auf ein Gedächtnis von alten Zellen zurückgreift , die nicht mehr so gut zwischen Freund und Feind unterscheiden können. Dadurch kommt es zu einer dauerhaft en, unterschwelligen Entzündungsbereitschaft – eben jenem „Infl ammaging“

Aber auch andere Faktoren tragen zu diesem Prozess bei. Zum Beispiel sammeln sich mit der Zeit immer mehr geschädigte Zellen im Körper an. Statt sich wie früher einfach abzubauen, bleiben sie bestehen und senden entzündungsfördernde Signale aus. Man spricht hier von zellulärer „Seneszenz“ oder auch „Zombie-Zellen“. Auch übermäßiges Bauchfett, das mit den Jahren bei vielen zunimmt, kann problematisch werden: Es produziert selbst entzündungsfördernde Stoff e, die den Körper zusätzlich belasten. Und schließlich können auch unausgewogene Ernährung, Stress, Schlafmangel oder ein träger Lebensstil Entzündungen auf stille Weise anheizen.

Inflammaging macht alt und krank

Die Folgen dieser unterschwelligen Entzündungen – auch silent infl ammation genannt - sind vielfältig – und oft tückisch. Sie gelten als mitverantwortlich für viele sogenannte Alterskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Beschwerden, Diabetes Typ 2, Gelenkentzündungen, Osteoporose oder Demenz. Manche Forscher gehen sogar davon aus, dass Infl ammaging eine Art gemeinsamer Nenner all dieser Beschwerden sein könnte. Und selbst wenn keine konkrete Krankheit vorliegt, kann man sich durch diesen Dauerstress innerlich müde, antriebslos und weniger widerstandsfähig fühlen.

Mit sekundären Pfl anzenstoff en gegen Entzündungen

Doch die gute Nachricht lautet: Wir sind dieser Entwicklung nicht hilfl os ausgeliefert. Denn obwohl das Alter an sich nicht aufzuhalten ist, lässt sich sehr wohl beeinflussen, wie gesund und fit wir alt werden. Eine der wirkungsvollsten Maßnahmen ist dabei eine bewusste,

pflanzenbetonte Ernährung. Vor allem sogenannte sekundäre 

Pflanzenstoffe – also natürliche Inhaltsstoff e in Obst, Gemüse, Kräutern und Gewürzen – können unserem Körper auf beeindruckende Weise helfen, sich gegen stille Entzündungen zu wehren. Diese Stoff e haben entzündungshemmende und antioxidative Eigenschaften. Sie können freie Radikale neutralisieren, die Zellalterung bremsen und sogar bestimmte Signalwege im Körper blockieren, die Entzündungen fördern. 

Besonders reich an diesen Stoffen sind zum Beispiel diese Nahrungsmittel:

  • Beeren (Heidelbeeren, Himbeeren, Johannisbeeren): reich an Anthocyanen (und Vitamin C) 
  • Kreuzblütler (Brokkoli, Rosenkohl): liefern Sulforaphan 
  • Gewürze wie Kurkuma (Curcumin), Ingwer (Gingerol) 
  • Grüner / schwarzer Tee: reich an Catechinen 
  • Trauben, Rotwein, dunkle Schokolade: Quellen für Resveratrol und Flavonoide 
  • Zwiebeln, Äpfel: Quercetin

Wer also regelmäßig zu frischem Obst und Gemüse greift, möglichst bunt isst und die Vielfalt der Pflanzenwelt nutzt, tut seinem Körper viel Gutes – nicht nur zur Vorbeugung von Inflammaging, sondern auch für ein allgemein stärkeres Immunsystem, mehr Energie und ein besseres Lebensgefühl.

Vitalstoffkonzentrate müssen Pflanzenstoffe enthalten

Problem ist allerdings, dass nur wenige die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlenen fünf Mindestportionen von Obst und Gemüse pro Tag schaffen. Um dennoch von der entzündungshemmenden Wirkung sekundärer Pflanzenstoffe zu profitieren, kann auch auf qualitativ hochwertige Nahrungsergänzungen zurückgegriffen werden. Aber Achtung: Bei diesen sollte die Menge der Sekundären Pflanzenstoffe – mindestens 400 mg Polyphenole - konkret auf der Verpackung ausgewiesen sein. 

Das heißt: Multivitamindrinks oder -tabletten bringen hier gar nichts, denn diese enthalten in der Regel keine antiinflammatorischen Sekun

dären Pflanzenstoffe. Und auch von Vitalstoffkonzentraten, die auf der Verpackung nicht ganz klar die Menge der enthaltenen Sekundären Pflanzenstoffe wie Polyphenole, Anthocyane oder Lycopin ausweisen, sollte man lieber die Finger lassen. Im Reformhaus gibt es gute Vitalkomplexe, die eine so große Menge an sekundären Pflanzenstoffen enthalten wie in mindestens 800 Gramm Obst und Gemüse enthalten sind. 

Gesunder Lebensstil hilft

Doch nicht nur die Ernährung zählt. Auch regelmäßige Bewegung, ausreichend Schlaf, Entspannung und ein gesunder Umgang mit Stress tragen dazu bei, die Entzündungsneigung des Körpers zu senken. Schon ein täglicher Spaziergang, leichte Gymnastik oder eine Yogaeinheit können helfen, das innere Gleichgewicht wiederzufinden und das Immunsystem zu entlasten. Auch der Verzicht auf Zigaretten, ein mäßiger Alkoholkonsum und die Pflege der Darmgesundheit – etwa durch probiotische Lebensmittel wie Joghurt, Sauerkraut oder Kefir – sind wichtige Bausteine auf dem Weg zu einem gesunden Altern.

Inflammaging mag zwar ein natürlicher Prozess sein – aber er ist kein unausweichliches Schicksal. Wer bewusst lebt, sich gesund ernährt und für Ausgleich im Alltag sorgt, kann seinem Körper helfen, auch im Alter in Balance zu bleiben. Die Natur bietet uns mit ihren Pflanzen eine Fülle an Möglichkeiten, die eigenen Abwehrkräfte zu stärken und dem stillen Feuer der Entzündung entgegenzuwirken. Ein bunter Teller ist oft der beste Schutzschild gegen das leise Lodern im Inneren.

Erschienen in:

Reformleben Magazin

Ausgabe Nr. 64 (Sept./Okt. 2025)

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Dr. Mathias Oldhaver

Dr. Mathias Oldhaver

Dr. Mathias Oldhaver ist Heilpraktiker und Medizinjournalist. Er beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit präventiver Medizin und Naturheilkunde.