Gesund mit Sulforaphan

01.05.25 12:00 AM Von Dr. med. Klaus Mohr

Kreuzblütler: Natürliche Abwehrkräfte aus der Pflanzenwelt

Kohl, roh, gedünstet oder milchsauer vergoren, wird nicht von allen Mitmenschen geschätzt. Ist aber traditioneller Teil regionaler Gerichte. Die Widerstandsfähigkeit der Pflanzen, auch der kräftige Geschmack, beruhen auf den enthaltenen Glucosinolaten. 

Glucosinolate: Die schwefelhaltigen Schutzstoffe in Kohlgewächsen

Das sind schwefelhaltige Produkte, die auch von vielen anderen Kreuzblütler-Arten gebildet und – zunächst in aktiver Form – in deren Zellen bereitgehalten werden, sozusagen im Standby-Modus. Werden die Zellen beschädigt oder verletzt, kommen die Glucosinolate im Kontakt mit einem separat gelagerten Enzym, der Myrosinase. Dadurch werden Wirkstoffe freigesetzt, die das Wachstum von schädlichen Bakterien, Pilzen und Viren hemmen. Sowas wie Antibiotika aus der Pflanze. Für die übrigens bisher keine Resistenzentwicklung festgestellt wurde. 

Myrosinase aktiviert die pflanzlichen „Antibiotika“

Historisch wurden die Glucosinolate auch als Senföle bezeichnet, wobei nicht immer genau zwischen der gebundenen und der freigesetzten Wirkform unterschieden wurde. Namensgeber ist der schwarze Senf (Sinapis nigra), der wegen seines Glucosinolat-Gehaltes mit scharfschmeckendem Allylsenföl gerne als Gewürz (meistens im Speisesenf), mit verdauungsfördernder und keimwidriger Wirkung genommen wird. Ebenso scharf schmecken die Blätter der Kapuzinerkresse, die aus einer verwandten Pflanzenfamilie stammt. Aus guter Erfahrung wird das Benzylsenföl von Kundigen bei Infektionen der Atem- und Harnwege, wirksam auch gegen Antibiotika resistente Mikroorganismen, angewendet. Glucosinolate sind auch im Blumenkohl, im Rettich, Radieschen, Rosenkohl, Wasabi und intensiv auch im Brokkoli.

Senföle: Altbewährte Heilkräfte aus Kapuzinerkresse und Senf

Angeblich habe ich in einem Seminar an der Reformhaus-Fach-Akademie vor einigen, vielleicht vierzig, Jahren mal gesagt, Grünkohl sei der hiesige Grüntee. Damals war ich wohl schon überzeugt von den Senföl-Wirkungen. Natürlich ist das bloß eine Anekdote, meine Überzeugung vom Grüntee ist weiterhin ungebrochen. Aus heutiger Sicht aber ist an dem Vergleich was dran. Danach erst wurde nämlich, in den 1990 er Jahren, dass Sulforaphan entdeckt. Lange war es, in den Pflanzenzellen von KreuzblütlerArten ruhend, verborgen geblieben. Unscheinbar. Aber hochwirksam. Der Vergleich mit dem Grüntee war wohl nicht ganz verkehrt. Beide Pflanzenarten wirken in erstaunlicher Weise gleich protektiv, obgleich mit ganz unterschiedlichen Molekülen und auf unterschiedlichen Signalpfaden unserer Körperzellen – doch mit demselben Ergebnis: Gesundheit für unsere Zellen. Bestimmt leistet weder der Grüntee noch der Grünkohl das aus purem Altruismus: primär tun sie das für ihre eigenen Zellen. In zahllosen Generationen haben jedoch beide Pflanzenarten wie auch der Mensch davon profitiert. In den Teegärten Japans, Indiens, Chinas, Koreas wurde der Grüntee gepflegt und geerntet. Und in hiesigen Gärten der Weißkohl, zur besseren Erhaltung und Wirksamkeit milchsauer vergoren, zum Sauerkraut. Im 16. Jahrhundert kam der Brokkoli dazu, aus Kleinasien stammend und zunächst in italienischen und französischen Gärten hier angebaut. In feinen Gerichten der Wohlhabenden ab und an mal ein wenig gegessen.

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Oftmals wird von modernem Fortschritt gesprochen, der sich bald darauf aber als höchst zwiespältig erweist. Ab und an ist in der Spreu aber doch mal ein gutes und hilfreiches Korn. Dass Brokkoli gut für die Gesundheit ist, war irgendwie schon lange bekannt. Nach der Entdeckung des Sulforaphans, vor ungefähr dreißig Jahren, konnte das genauer erforscht werden. Seitdem wissen (und vermögen) wir eindeutig mehr. Das ist wirklich mal Fortschritt.

Sulforaphan wirkt

1. Antioxidativ und entzündungshemmend. Gegen etliche Schadstoffe. Entgiftend.

Gut, das können andere Pflanzenstoffe, aus Curcuma, Granatapfel, Grüntee auch leisten. Sollen die nun durch Brokkoli/Sulforaphan ersetzt werden? Nein. Es geht um Zusammenwirken für die Gesundheit. Sulforaphan sollte dazu kommen.

2.Schützend vor Infektionen 

Angesichts der Resistenzbildung gegen verbreitete Antibiotika ist es gut, das zu wissen. Benzylsenföl aus Kapuzinerkreise wirkt da synergistisch, mitunter noch stärker als Sulforaphan.

3. Potenziell krebshemmend. Vielfältig: Prokarzinogene entgiftend.Karzinogene blockierend. Vermehrung von Krebszellen hemmend. 

Die Prävention, vor allem von Brustkrebs, Prostatakrebs, Darmkrebs, Bauchspeicheldrüsenkrebs, Leukämien, könnte mit Sulforaphan wohl verbessert werden. Mit regelmäßiger Aufnahme in optimaler Dosierung.

4. Neuroprotektive Effekte: Schutz für Gehirn und Nerven 

Das ist derzeit das Hauptanliegen in unserer Gesellschaft, wegen der Zunahme neurodegenerativer Erkrankungen, von Depression, Neuropathie, Morbus Parkinson, Demenz. Mit Sulforaphan werden körpereigene Möglichkeiten gestärkt: zur Reparatur geschädigter Nervenzellen, zur Sanierung der DNS.

Wie viel Brokkoli braucht es für die Wirkung?

Interessant ist auch die leicht blutzuckersenkende Wirkung von Sulforaphan, die bei Typ II Diabetes festgestellt wurde und ansteigend auf einer Besserung der Insulinsensitivität der Körperzellen beruht. Damit kann auch die Zunahme von Bauchfett verringert werden, einer japanischen Interventionsstudie zufolge um rund 20 Prozent. Das ist insofern bedeutsam, weil in den Fettzellen der Körpermitte ansonsten Botenstoffe gebildet werden, die Entzündungen anfeuern. Die entzündungshemmende Wirkung wiederum dient auch der Krebsprävention. Sulforaphan wirkt zudem auf einen wichtigen Transskriptionsfaktor, NF-kB, der Entzündungen im Organismus kontrolliert. Und aktiviert die Tumorsuppressorgene p53 und p21, die zum Untergang von Krebszellen beitragen. Begleitend dazu wird die Angiogenese gehemmt, die Neubildung von Kapillaren, mit denen Tumore sich aus dem Organismus ernähren.

Brokkolisprossen: Kleine Keime mit großer Wirkung

Die vielfältigen, miteinander verbundenen Wirkungen des kleinen Moleküls sind faszinierend. In bisherigen Studien zur Komplementärtherapie wurden Dosierungen um 0,4 mg/Kilogramm Körpergewicht und Tag für wirksam befunden. Für Erwachsene also um 25 mg Sulforaphan pro Tag. Wie viel Brokkoli erforderlich ist, um diese Zufuhr zu erreichen, kann nur annähernd gesagt werden.

Roh verzehren oder kombinieren: Tipps für mehr Sulforaphan

Messbar in der Pflanze ist das Glucoraphanin, aus dem unter Einwirkung der Myrosinase, wie schon skizziert, dass Sulforaphan freigesetzt wird. Je nach Anbau, Art und Qualität enthält Brokkoli ca. 10 mg bis etwa 120 mg pro 100 g Frischgewicht. Beim Dünsten oder Kochen gehen unterschiedliche Teile davon verloren. Ungewiss ist auch die Freisetzung von Sulforaphan aus dem verbliebenen Glucoraphanin, weil das Enzym nicht hitzestabil ist. In Brokkolisprossen kann der Gehalt an Glucoraphanin um das Zehnfache höher sein, die Problematik der Sulforaphan-Freisetzung besteht aber auch da. Möglicherweise, aber nicht sicher, können auch Teile der Darmflora aus Glucoraphanin ein wenig Sulforaphan bilden.

Sulforaphan aus Kapseln: Praktisch und wirksam

Wer präventiv ausreichende Mengen an Sulforaphan aufnehmen möchte, muss demnach mindestens 200 g Brokkoli essen, am besten roh und fein zerkleinert, damit die Myrosinase bestmöglich einwirken kann. Wer ganz schlau ist, kann noch ein paar Gramm fein geriebener, frischer Meerrettichwurzel untermischen und das Ganze ungefähr 2 Stunden bei ungefähr 25 °C reagieren lassen. Weil das dann täglich neu erfolgen muss, erfordert es natürlich einigen Aufwand. Aus eigener Erfahrung weiß ich, das wird nicht sehr lange durchgehalten.

Nebenwirkungen? Nur bei extrem hoher Zufuhr ein Thema

Gerade weil die alltägliche Aufnahme von Sulforaphan sinnvoll ist – zur Komplementärtherapie 25 bis 50 mg, zur Prävention 10-20 mg– kann die Einnahme von Kapseln ratsam sein, die hochwertigen Brokkoliextrakt enthalten und daneben Myrosinase, etwa aus schonend getrocknetem und fein gemahlener Meerrettichwurzel.

Fazit: Sulforaphan als natürliche Unterstützung für Ihre Gesundheit

Schwerwiegende Nebenwirkungen sind bisherigen Erkenntnissen zufolge davon nicht zu befürchten. Zwar gibt es Berichte aus Notzeiten, in denen ein großer Teil täglicher Nahrung aus Weißkohl bestand und zudem Jodmangel, dass von der großen Menge an Glucosinolaten Kropfbildung induziert werden kann. Bei ausreichender Versorgung mit Jod, etwa aus Meeresalgen (Kelp), und den genannten Sulforaphan-Dosierungen ist das bis ca. 100 mg kaum zu erwarten. Demgegenüber steht der beachtliche Nutzen von Sulforaphan in der Prävention und etlichen Studien zufolge (unter anderem von der Universität Heidelberg) auch in der Komplementärtherapie. Und all das für relativ wenig Geld. Darüber spricht man nicht gern, wegen der verständlichen Klagen über die rapid steigenden Beiträge für das sogenannte Gesundheitssystem nebst langen Wartezeiten musste das doch mal gesagt werden.

Sulforaphan kann Einiges, wenn auch nicht alles erwirken. Werden und bleiben Sie möglichst gesund damit. Das wünsche ich Ihnen von Herzen.

Dr. med. Klaus Mohr

Dr. med. Klaus Mohr

In Fachkreisen und bei seinen Lesern hoch geschätzter Mediziner und Autor, der es versteht Natur- und Schulmedizin zum Nutzen seiner Patienten einzusetzen.